Helsinki, 12.07.2023

Nachmittagstimmung jetzt gerade am Hauptbahnhof in Helsinki, Finnland: Am späten Abend wird der US-amerikanische Präsident Joe Biden in der Stadt erwartet. Er kommt aus der litauischen Hauptstadt Vilnius, wo heute der NATO-Gipfel endet. In Helsinki ist am Donnerstag ein nordisch-amerikanischer Gipfel angesetzt, an dem neben Finnlands Präsident Sauli Niinistö die Ministerpräsidentinnen und -präsidenten von Schweden, Norwegen, Dänemark und Island teilnehmen wollen. Die Zeitungen spekulieren über das Hotel, in dem Biden übernachten wird. Busse und Straßenbahnen fallen aus, in der Innenstadt sind Gullideckel zugeschweißt und Absperrgitter stehen bereit.

Symbolische Unterstützung des neuen Verbündeten

Der Besuch hat vor allem symbolischen Charakter. Noch im Juli 2018 hatten sich US-Präsident Donald Trump und der russische Präsident Wladimir Putin zu bilateralen (und ergebnislosen) Gesprächen in der finnischen Hauptstadt getroffen. Auch Gastgeber dieses Treffens war der finnische Präsident Niinistö. Trumps Nachfolger Biden empfängt er fast genau fünf Jahre später unter völlig anderen Vorzeichen. Die „Finnlandisierung“, mit der man in Deutschland den sowjetischen, später russischen Einfluss auf die Politik Finnlands beschrieb, spielt längst keine Rolle mehr im Land. Die Äquidistanz hat man aufgegeben, Anfang April 2023 ist Finnland der NATO beigetreten. Ein Großteil der Bevölkerung solidarisiert sich mit der Ukraine, verurteilt den russischen Angriffskrieg und billigt den neuen außenpolitischen Kurs. Der Besuch des US-Präsidenten wird als symbolische Unterstützung dieser politischen Neuausrichtung des Verbündeten verstanden.

Innenpolitische Probleme

Bei aller Einigkeit in der Außenpolitik steckt die finnische Regierung schon kurz nach ihrem Zusammentritt in einer tiefen Krise. Die Mitte-rechts-Koalition besteht aus der konservativen Nationalen Sammlungspartei (KOK), der rechtspopulistischen Partei „Die Finnen“ (PS), der Schwedischen Volkspartei (RKP, liberal) und den Christdemokraten (KD). In den vergangenen Wochen thematisierte die Presse rassistische Äußerungen, die Politikerinnen und Politiker der Partei „Die Finnen“ in der Vergangenheit getätigt hatten.

Wirtschaftsminister Vilhelm Junnila (PS) trat vor zwei Wochen zurück, nachdem Kontakte zu Rechtsextremen und Äußerungen bekannt wurden, in denen er mit Neonazi-Symbolik kokettierte. Auch Riikka Purra, PS-Parteichefin, Finanzministerin und stellvertretende Ministerpräsidentin Finnlands, steht unter Druck. Sie hatte vor rund 15 Jahren in einem Blog rassistische Gewaltfantasien formuliert. Purra twitterte gestern eine Entschuldigung und gab an, „keinerlei Gewalt, Rassismus oder Diskriminierung“ zu akzeptieren.



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